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Erkrankungen der Wirbelsäule

Ein alter Mann hat Schmerzen an der Wirbelsäule

Die Bandscheiben

Der Mensch hat 7 Halswirbel, 12 Brustwirbel und 5 Lendenwirbel. Damit diese Wirbel gegeneinander beweglich sind, sind Bandscheiben dazwischengelagert. Diese bestehen im äußeren Teil aus einem festen Faserring, im Zentrum befindet sich eine zähe, gallertige Masse. Wird nun durch degenerative Erkrankung des Bindegewebes der äußere Faserring brüchig, so kann etwas gallertige Kernmasse die Fasern des äußeren Ringes auseinanderdrängen und hervorquellen. Man nennt dies einen Bandscheibenvorfall. Man kann diesen Vorgang mit einem Leistenbruch vergleichen, wo Baucheingeweide schwaches Bindegewebe auseinanderdrängen und durch die inneren Bauchwandschichten hindurchtreten.

Bandscheibenvorfall

Wenn nun diese Masse beim Bandscheibenvorfall gerade an der Stelle durchquillt, wo die Nervenwurzeln, aus dem Rückenmark kommend, durch den Zwischenwirbelkanal durchtreten, dann drückt sie auf den Nerv und ruft in den Teilen des Kreuzes oder Beins, die vom betreffenden Nerv versorgt werden, Schmerzen hervor. Obwohl nun dieser Vorgang nicht häufig ist, werden seit dieser Entdeckung fast alle Schmerzen im Rücken und Bein in einer unzulässigen Verallgemeinerung als „Bandscheibe" bezeichnet.

Manche Fälle von echtem Bandscheibenvorfall werden nur in Ordnung kommen, wenn die vorgequollene Masse operativ entfernt wird. Da aber die Kernmasse nicht in jeder Körperlage durch den Faserring hindurchgepresst wird, sondern bei bestimmter Lagerung zurückschlüpfen kann, besteht auch die Möglichkeit der Ausheilung ohne Operation. Die schwache Bindegewebsstelle im Faserring kann narbig verheilen und den Durchtritt der Kernmasse verhindern.

Der Aussagewert des Röntgenbildes

Eine Ärztin zeigt dem älteren Mann das Röntgenbild der Wirbelsäule

Beim weitaus größten Teil der sogenannten Bandscheibenschäden handelt es sich aber nicht um solche Vorfälle, sondern um degenerative Vorgänge am gesamten Bindegewebs- bzw. Bandapparat der Wirbelsäule, der sehr kompliziert ist.

Wenn die Bandscheiben selbst mitbetroffen sind, kann man dies im Röntgenbild manchmal nichts Schlimmes bedeuten. Es handelt sich dabei nicht etwa um spitze Knochenauswüchse, die sich in die Weichteile spießen und Schmerzen hervorrufen, wie es sich die Kranken meist vorstellen, sondern es sind lediglich die normalen Sehnenansätze durch Kalkeinlagerung sichtbar geworden. Diese Verkalkung der Weichteile ist zwar ein Zeichen der ernährungsbedingten Schädigung des Bindegewebsapparates, wie sie Kollath klassisch in seinen Tierfütterungsversuchen erzeugen konnte, sie haben aber keine andere Wertbedeutung als etwa die Feststellung, dass der betreffende Mensch plombierte Zähne und eine Parodontose hat.

Man kann den Zustand des Bindegewebes eines Menschen sehr einfach beurteilen, indem man sein Gebiss betrachtet. Man kann sich diesen Überblick aber auch auf umständlichere und kostspieligere Weise verschaffen, indem man eine Röntgenaufnahme der Wirbelsäule anfertigt. Die degenerativen Erkrankungen in der Mundhöhle und an der Wirbelsäule sind parallele Vorgänge.

Die im Röntgenbild sichtbaren Veränderungen am Knochen lassen aber keine sicheren Rückschlüsse auf entsprechende Veränderungen an den Weichteilen zu. Dies sei besonders für die Kranken gesagt, die das Röntgenbild überbewerten, weil sie glauben, man könne auf dem Bild „alles" sehen. Vor allem muss der Kranke wissen, dass die Rückenschmerzen nicht vom Knochen herrühren, sondern von den Weichteilen. Es können daher schwerste Knochenveränderungen sichtbar sein, ohne dass der Kranke Beschwerden hat, und umgekehrt können ohne Knochenveränderungen stärkste Schmerzen vorhanden sein.

Dies zu wissen ist auch deshalb wichtig, weil mancher Kranke sich von einer systematischen Behandlung abhalten lässt, da er wegen der sichtbaren Veränderung auf dem Röntgenbild entmutigt ist und daraus den Schluss zieht, sein Leiden könne nicht mehr gebessert werden. Natürlich lassen sich die Knochenverformungen nicht mehr beseitigen, aber die Veränderungen in den Weichteilen, die die Schmerzen verursachen, sind durch Behandlung beeinflussbar. Dies gilt insbesondere für die Osteoporose. Die im Röntgenbild sichtbare Entkalkung des Knochens ist nicht, wie es den Patienten oft erklärt wird, die „Ursache" ihrer Beschwerden, sondern lediglich eine Teilerscheinung im gesamten Krankheitsbild des geschädigten Bewegungsapparates. Sie ist das Symptom einer Störung des Mineralhaushaltes. Mit anderen Worten: Das Einzelsymptom hat die gleiche Ursache wie die zugrundeliegende Gesamterkrankung. Sie liegt allein in Ernährungsfehlern.

Die Wirbelsäule schützt das Rückenmark und die Nervenstränge

Der Bau und die Funktion der Wirbelsäule sind ein Wunderwerk. Einerseits wird das Rückenmark durch den knöchernen Kanal, den die Wirbel bilden, so hervorragend geschützt, dass Gewalteinwirkungen von außen kaum eine Verletzung der hochwichtigen Nervenbahnen des Rückenmarks zulassen, und andererseits ist dieser knöcherne Schutzmantel so konstruiert, dass er Bewegung nach allen Seiten zulässt. Dies ist eine geniale Lösung.

Aufbau des Wirbels

Nur an einer Stelle ist zwischen zwei Wirbeln ein kleiner Durchlasstunnel für die aus dem Rückenmarkskanal abschnittsweise austretenden Nervenstränge, die sogenannten Nervenwurzeln, freigelassen, aber so, dass kein überschüssiger Raum übrigbleibt. Kommt es nun durch entzündliche Vorgänge oder durch Ablagerungen krankhafter Stoffwechselprodukte zu einer Verdickung oder Verquellung des Gewebes, so werden die durchtretenden Nerven eingeengt. Eine Einengung der Durchtrittsstellen kann auch durch eine geringgradige Wirbelverschiebung zustande kommen.

Ein Wirbel ist „raus"

Es ist verständlich, dass eine entzündliche Erkrankung eine andere Behandlung erfordert als Ablagerungen oder mechanische Verschiebungen. Überall da, wo mechanische Momente eine Rolle spielen, ist auch eine Behandlung mit mechanischen Methoden, z.B. mit Chiropraktik, hilfreich. Blockierte Gelenke können durch entsprechende Handgriffe gelöst werden, was sich mitunter auch durch ein knackendes Geräusch anzeigt. Oft hört man von Kranken, dass bei ihnen ein Wirbel „raus" sei und wieder eingerenkt werden müsse. Diese Annahme beruht auf falschen Vorstellungen.

Natürlich kann ein Wirbel nicht aus dem festgefügten Verband der Wirbelsäule ausbrechen. Er wird durch ein System fester Bänder in seiner Lage gehalten. Eine Querverschiebung eines Wirbels gegen seinen Nachbarwirbel um 1 cm hätte bereits eine Querschnittslähmung oder den Tod zur Folge, je nachdem in welcher Höhe des Rückenmarks dieses Ereignis stattfände. Solche Möglichkeit besteht aber nur bei schweren Gewalteinwirkungen. Auch in diesen Fällen kommt es eher zu Abrissen von Teilen des starren und unelastischen Knochens, als daß ein Band reißt. Und selbst bei schwersten Krankheiten der Wirbelsäule kommt es nicht zu so ernsten Bänderzerstörungen, daß Wirbel nach der Seite, nach vorn oder nach hinten heraustreten können. Bei den zahlreichen Fällen von Schmerzen im Kreuz und im Nacken, bei denen eine Lockerung durch chiropraktische Behandlung hilft, handelt es sich um ganz andere Zustände. Die Schmerzen treten meist nach einer körperlichen Belastung oder besonderen Bewegungen auf. Es kann dabei zur Blockierung in einem der zahlreichen Wirbelgelenke kommen, die durch Bänder und Muskeln gehalten werden. Jeder Wirbel ist mit dem nächsten durch drei Gelenkpaare verbunden, und von jedem einzelnen Wirbel ziehen außerdem Bänder und Muskeln zu sämtlichen darüber- und darunterliegenden; es handelt sich somit um ein außerordentlich kompliziertes Muskel- und Bändersystem. Die degenerativen Vorgänge, die sich als Folge zivilisatorischer Ernährung am Bewegungsapparat abspielen, führen zu mannigfachen Funktionsstörungen, die sich als einseitige Verspannungen im Muskel- und Bindegewebsapparat, reaktive Schwellungen, Verkrampfungen (Muskelhartspann) und Gelenkblockierungen in extremer Fehlstellung äußern können. Die Krankheitserscheinungen bleiben aber nicht auf den Ort der Störung beschränkt, sondern wirken sich auch an den anderen Organen aus, die im zugehörigen Versorgungsgebiet der Nerven liegen. Lockernde und entspannende Maßnahmen durch Massage, Wärme und chiropraktische Behandlung sind hier hilfreich.

Aus dem Buch "Rheuma" von Dr. med. M. O. Bruker, emu-Verlag Lahnstein.
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